In einer Gesellschaft, in der selbst schon Dreijährige ihre Muttersprache perfekt beherrschen, Fahrradfahren, Schwimmen und mit den Skiern die schwarzen Pisten hinuntersausen können sollten, in der bei den Erwachsenen vor allem der Erfolg, die Likes und ausschliesslich das Aussenbild zählen, vom Lebensstandard bis hin zum Aussehen, ist es schwierig, sich von diesem scheinbar allgegenwärtig vorherrschenden Perfekten nicht anstecken zu lassen.
Aber es lohnt sich, es nicht zu tun.
Meine Kinder beherrschten mit drei weder das Skifahren noch das Schwimmen. Für diesen «Mangel» musste ich sie oft und mitunter auch mit Nachdruck verteidigen. Ich musste mir Vorwürfe anhören und unterschwellig wurde mir vermittelt, ich wäre eine schlechte Mutter.
Gleichzeitig spürte ich aber, dass mein Entscheid, meine Kinder weder auf die Skipisten noch in den Schwimmunterricht zu schicken, noch irgendwelche ausserfamiliäre Frühförderung mit ihnen machen zu lassen, genau richtig für sie war. Sie waren glücklich, wissbegierig, interessiert und durften ihr Leben in ihrem Tempo leben und entdecken.
Irgendwann, als meine Tochter bereits in die dritte oder vierte Klasse ging, kam eine jener Mütter zu mir und meinte: «Jetzt verstehe ich dich. Unsere Kinder müssen nicht überall die Besten sein, nicht wahr?»
Nein, müssen sie nicht. Sie müssen geliebt werden und sich selbst sein dürfen, denn dann sind sie glücklich und das ist das Wichtigste überhaupt.
Sind sie jetzt perfekt, meine Kinder? Nein und zum Glück sind sie das nicht. Aber sie sind auf die beste, herrlichste und perfekteste aller Arten wundervoll unperfekt.
Wie jener Mutter geht es vielen. Sie denken, die Besten sein zu müssen. Nicht aus Geltungs- oder Profilierungsgründen oder gar um ihres Egos willen. Nein, darum geht es all diesen Menschen nicht.
Ihnen geht es einzig und alleine darum von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und in diese integriert zu sein. Vor allem jedoch tragen sie alle die Angst in sich, ihr Ansehen, ihren Job oder ihre soziale Stellung zu verlieren, wenn sie nicht alles was sie tun, absolut perfekt tun.
Fehler, egal welcher Art, sind somit unbedingt zu vermeiden.
Geschehen sie dennoch, verursachen sie Panik, bedeuten Stress, kommen Katastrophen gleich und erhöhen die Selbstzweifel und das zum Teil massiv.
Das wiederum hat zur Folge, dass sich diese Menschen zukünftig noch mehr bemühen werden, fehlerfrei zu arbeiten und zu sein. Dadurch verlieren sie sich im Detail und bürden sich damit zusätzliche Arbeit auf, die sie irgendwann, mangels Zeit und Kraft, nicht mehr bewältigen können.
An diesem Punkt wird der einst gesunde Perfektionismus zum krankhaften. Die Folge davon ist eine Abwärtsspirale, die in der physischen und psychischen Erschöpfung endet und viele von ihnen bleiben ausgebrannt zurück.
Das tragische daran ist, dass diesen Perfektionismus niemand von ihnen erwartet.
Weder die Familie noch die Freunde oder der Arbeitgeber. Die einzigen, die ihn erwarten, sind sie selbst, und gerade sie selbst sind es auch, denen sie je weder gerecht werden noch es ihnen recht machen können. In ihren Augen gäbe es immer etwas zu verbessern und somit sind sie auch der härteste und schonungsloseste Kritiker, den sie kennen.
Manche zerstören sich dadurch.
Das Wichtigste und ja ich weiss, ich habe das in vorhergehenden Blogs schon des Öfteren erwähnt:
Du bist ganz wunderbar, so wie du bist. Mehr braucht es nicht.
Und dann bitte, denk nett von dir. Du hast es verdient.
Für all jene, die das noch nicht so ganz glauben können, hier ein Werkzeug in die Hand.
Das Pareto-Prinzip besagt, dass wir mit 20% Engagement 80% unserer Aufgaben oder Probleme lösen können.
Die verbliebenen 20% hingegen erfordern dann 80% unseres Einsatzes, bis sie erledigt sind.
20% unseres Zeit- und Arbeitsaufwandes reichen aus, um eine Fünf bei einer Prüfung zu erreichen.
Jedoch müssen wir 80% unseres Zeit- und Arbeitsaufwands dazu verwenden, um eine Sechs zu schreiben.
80%! Das ist ein sehr viel Mehr, für einen relativ geringen Mehrwert.
Denn, ganz ehrlich, der Unterschied zwischen einer Fünf oder Sechs spielt am Ende des Jahres oder der Ausbildung keine Rolle.
Deine Zeit und Energie, die du für diesen Mehraufwand investiert hast, jedoch schon. Sie entscheiden am Ende darüber, wie gut es dir geht, ob du glücklich und physisch und psychisch gesund bist.
Wenn er deinen inneren Frieden oder gar deine Gesundheit kostet, dann ist dieser Mehraufwand definitiv zu teuer.
Also bitte überlege dir das nächste Mal, wenn du an etwas arbeitest oder du dich auf etwas vorbereitest, wie hoch der Preis ist, den du für deinen Einsatz bereit bist zu bezahlen.
Dafür darfst du ruhig kurz 80% deiner Zeit und Gedanken verwenden. Dort sind diese 80% sehr gut investiert. Denn ich bin überzeugt davon, dass sie dich am Ende zu den 20% Zeit- und Arbeitsaufwand hinführen werden, die vollkommen und absolut ausreichend sind.
Oder anders gesagt, diese 20% werden dir sehr viel Zeit schenken, in der du tun kannst, was dir guttut und ich denke, das ist dann perfekt gelebter Perfektionismus.
Perfektionismus ist wundervoll, solange du dich damit aus dir selbst heraus motivierst und anspornst. Solange er dich Neues ausprobieren und entdecken lässt und dich auch mal über deine eigenen Grenzen hinausführt.
Perfektionismus ist wundervoll, solange du durch ihn wachsen, lernen und dich entwickeln kannst. Solange er dich in deinem Leben vorwärtsbringt.
Perfektionismus ist wundervoll, solange du den durch ihn erlangten Erfolg geniessen kannst und er dich viele Momente des Stolzes erfahren lässt.
Perfektionismus ist wundervoll, solange er dich glücklich macht. Solange du deine Arbeit mit Freude und Spass erledigst und sie dich am Ende mit Zufriedenheit und einem guten Gefühl erfüllt.
Perfektionismus ist wundervoll, solange du durch ihn Selbstvertrauen entwickelst und dich und dein Können, dein Wissen und deinen Wert kennen und auch anerkennen lernst.
Perfektionismus ist dann absolut wundervoll, wenn du dich durch ihn mehr lieben, schätzen und achten lernst.
Ja dann ist Perfektionismus ganz wundervoll und sollte auch gelebt werden.
Und zwar zu 100%!
Wenn du noch nicht ganz sicher bist, wie du deinen Perfektionismus gesund halten kannst, dann bin ich gerne für dich da.
Nun wünsche ich dir viel Freude dabei perfekt unperfekt zu sein und dadurch dein perfektes Leben zu leben.
💙 Be kind to yourself and to others.
Herzliche Grüsse
Sonja